Ein Mensch braucht keine Macht.
Was ist Macht? Es gibt viele Definitionen, aber drei spielen in meinem Denken eine besondere Rolle. Die erste ist die Definition von Platon im Gorgias Dialog, in welchem er über die Person Kalikles zu Sokrates sprach und in so vielen Worten sagte, dass Macht darin besteht anderen ungestraft schaden zu können. Das Argument war, dass es den Menschen gelüstet nach so einer Position und trotz verschiedener Versuche hat Platon weder eine Erklärung für die Ursache gegeben noch eine Antwort darauf, wie damit umzugehen ist. Die zweite Definition kommt von Montesquieu, der in der Macht die Potenz sah das tun zu können, was man will. Er brachte dabei den Begriff der Freiheit in Verbindung mit dem Begriff der Macht und argumentierte, dass Macht ohne Freiheit und Freiheit ohne Macht wenig Bedeutung haben. Er fragte, was nützt ihm alle Freiheit der Welt, wenn ihm die Macht fehlt das was er will auch umzusetzen und umgekehrt, was nützt ihm alle Macht der Welt ohne die Freiheit das was er will auch umzusetzen. Die dritte Definition kommt von Robert Dahl, und er definierten sie einfach als die Fähigkeit von einer Person A eine Person B dazu zu bewegen etwas zu tun, was die Person B anderweitig nicht tun würde. Diese Definition ist beschränkt auf Relationen zwischen Menschen, so wie auch die Definition von Platon darauf beschränkt ist, während die Definition von Montesquieu eher mit dem Selbstverständnis bzw. der Freiheit und Potenz eines Individuums verbunden ist. Man könnte sagen, nach Montesquieus Definition hat jemand der reisen will über ein Auto, Sprit und Reisedokumente, alles nötige um seinen Willen umzusetzen. Gleichzeitig könnte sich aber Montesquieus Definition auch auf Relationen zwischen Menschen ausweiten, was bei Definitionen von Platon und Dahl allerdings nicht der Fall ist und es ist genau deshalb, dass ich sie als besonders wichtig erachte.
Für viele Menschen scheint Macht tatsächlich mit Macht über andere Menschen verbunden zu sein, weshalb sie auch oft mit Liebe in den Kontrast gesetzt wird bzw. weshalb viele von Machtverhältnissen sprechen, Mächtegleichgewicht usw. Interessant finde ich auch, dass in vielen Kulturen Macht eine wichtige Rolle spielt, aber ich muss nach Erfahrungen in vielen Kulturen das Fazit ziehen, dass bei uns in Deutschland die Macht vielleicht nochmal eine etwas größere Rolle spielt als anderswo. Es gibt eine so große Faszination mit Macht in Deutschland, dass Nietzsche alles auf die Macht reduzieren wollte bzw. in der Macht die Ursache für alles sehen wollte. Manchmal denke ich jedoch, dass Nietzsche verstand auf dem Holzweg zu sein, dies nicht nur weil er sein Werk "Der Wille zur Macht" nie veröffentlicht hat, sondern auch weil es ihm während des Lebens insgesamt ziemlich schlecht ging und sein Ende auch ein sehr trauriges war. Ich glaube, er verstand, die Macht erklärt nicht nur nicht alles sondern eigentlich kaum etwas und so hielt er inne und hörte auf zu schreiben. Gleichzeitig denke ich, dass seine einseitige Vertiefung in das Machtdenken so groß war, dass es ihm schwer fiel sie auszubalancieren durch z. B. Liebe oder einfach Faulheit oder Lust usw. Das ist eben oft so, wenn wir sehr tief denken, wir verlieren uns in den Tiefen, wir bohren uns in so etwas wie einen Tunnel bzw. wir erzeugen ein neuronalen Netz und verbringen so viel Zeit in ihm, dass wir die anderen vergessen und gar nicht richtig mit diesem verbinden und dann eben einseitig werden oder einen schweren Kopf kriegen usw.
Was ist aber Macht für mich? Nun ich sehe in der Macht nur zwei Dinge, auch differenziere ich Macht nicht wirklich von Freiheit wie Montesquieu, denn Macht ohne Freiheit ist für mich gar keine Macht, während ich Freiheit ohne Macht oft existieren sehe in einer Vielzahl von Kontexten bzw. überall dort wo etwas erlaubt ist, die Menschen es sich aber entweder zeitlich oder finanziell oder aus anderen Gründen nicht leisten können. Macht ist für mich also erstens die Möglichkeit zu schöpfen, wobei das Schöpfen sowohl Potenz als auch Freiheit benötigt, und zweitens hat die Macht für mich mit einem Gefühl der Sicherheit zu tun, wobei ich ein überhöhtes Gefühl nach Sicherheit in Menschen als eine seelische Erkrankung bewerte. Entsprechend sehe ich auch in besonders Machthungrigen Menschen entweder solche, die eine große Lust zum Schöpfen haben oder solche die sehr viel Angst haben.
Die Definition von Robert Dahl finde ich schädlich, denn es gibt viel einfachere Wege, dass eine Person A eine Person B dazu bekommt etwas zu tun, was die Person B anderweitig nicht tun würde. Es gibt die Möglichkeit des einfachen Fragens, dann des Anstands bzw. der Werte im Sinne der Herstellung von einem Codex der für beide Personen gilt, dann des Handelns bei dem die beiden Parteien etwas austauschen würden usw. - wir könnten uns sicherlich noch andere Möglichkeiten vorstellen. Natürlich lässt sich die Definition von Platon gut mit der Definition von Dahl in Verbindung bringen, denn über Erpressung und sonstige Angstmacherei könnte eine Person A sicherlich eine Person B dazu bekommen etwas zu tun, was die Person B anderweitig nicht tun würde. Dann gibt es auch die Manipulation, der viele Menschen gerne nachgehen und über welche sie versuchen andere zu instrumentalisieren ihren Willen zu tun bzw. sich in eine Machtposition über sie zu bringen.
All das und mehr ist jedoch in meiner Definition dabei, denn im Grunde geht es da um entweder Angst oder um das Bedürfnis schöpfen. Verängstigte Menschen in Besitz von Macht, nutzen diese in der Regel selten, denn ihnen dient Macht einfach dazu nicht so viel Angst empfinden zu müssen. Sehr schöpferisch veranlagte Menschen, und ich habe hier natürlich ausgelassen ob die Schöpfung konstruktiv oder destruktiv ist, nutzen die Macht dagegen sehr viel, denn ihnen dient sie um ihre Visionen umzusetzen.
Macht ist für mich in der Tat ziemlich uninteressant als Konzept, viel interessanter ist für mich, was Menschen mit Macht tun bzw. nicht tun. An der Stelle denke ich natürlich erstens an den alten Spruch "Macht korrumpiert Menschen" und zweitens an den Spruch "Willst du Menschen wirklich kennenlernen, dann gebe ihnen Macht". Die Idee, dass Macht Menschen korrumpiert, ist in der Tat sehr alt und erinnert an die Definition von Platon, d.h. die Idee der Korruption durch Macht besteht darin, dass Menschen schnell einen Gefallen an der Position finden aus der sie anderen bei Bedarf ungestraft schaden können und mit der Zeit in diesen Positionen immer schlechtere Menschen werden. Der andere Spruch dagegen, will darauf abzielen, dass Menschen unabhängig von Macht entweder liebevoll und moralisch oder grausam und unmoralisch sind und Macht dies lediglich enttarnt. Entlang des zweiten Spruchs könnte man sagen, dass Charakterstärke, ein innerer Kompass, ein moralischer Kodex usw. vielleicht vor Korruption durch Macht schützen während eher unmoralische Menschen, mit dem Wunsch anderen zu schaden, grausam zu sein usw. einfach enttarnt werden durch Machtbesitz, d.h. Macht korrumpiert sie nicht, sondern sie ziehen erst im Besitz von Macht ihre Maske ab und zeigen, wer sie wirklich sind. Ich denke, es treffen eher diese Szenarien meistens zu, wobei ich auch glaube, dass es viele Hinweise dafür gibt, dass Macht langsam oder schneller auch Menschen korrumpiert und zwar sowohl die eher guten, als auch die eher schlechten.
Die Frage ist aber auch, was für eine Definition der Macht die Autoren dieser beiden Sprüche überhaupt gehabt haben. Und die viel wichtigere Frage ist, was unsere Mitmenschen unter Macht verstehen? Das lege ich jedem meiner Leser ans Herz herauszufinden, denn sich in Machtverhältnissen zu verwickeln, unabhängig davon in welcher Position, endet in der Regel nicht gut. Außerdem kann man alles, wirklich alles, im Leben auf viel schöneren Wegen erreichen, wie Höflichkeit, Anstand, Freundschaft und Liebe.
Spüre ich irgendwo Menschen, die nach der Macht greifen, distanziere ich mich zügig, denn Macht ist relational und steige ich aus einer Relation aus, kann die Person, welche nach der Macht gegriffen hat, bei Definition keine Macht über mich haben. Eine Ausnahme gibt es jedoch - die Politik. Aus ihr will man sich nicht gänzlich distanzieren, denn wie schon Aristoteles sagte "unabhängig davon ob du dich mit Politik beschäftigst oder nicht, die Politik beschäftigt sich mit dir". Dort helfen zwei Taktiken - Machtbeziehung zu enttarnen oder sich nur in einem geringen Umfang in diesen befinden, damit immer wenn sie schief gehen, sie nicht so viel betreffen.