Ein gutes Leben hat eine musikalische Basis
Nach einem besonders inspirierenden Konzert eines Klaviertrios treffen sich die vier Freunde für ein Glas Rose und ein kleines Dessert, bevor sie nach Hause gehen. Dieses Mal war auch die Musikerin dabei, die Gattin des Philosophen.
Theist: Viele Philosophen waren Musikliebhaber. Du, mein Lieber, bist es erst mit ca. 30 geworden und hast ja dann auch eine klassische Musikerin geheiratet.
Forscher: Darin beneide ich dich auch, denn heute ist es so, dass je tiefer wir in diese Materie reinblicken, aus welcher unsere Realität besteht, desto mehr wir auch erkennen, dass sich alles in Bewegung befindet. Alles schwingt.
Atheist: Auch wir natürlich, denn aus derselben Materie, aus der unsere Realität besteht, bestehen auch wir. Schwingungen spielen eine sehr wichtige und große Rolle für unser Seelenleben, für unsere Gefühle und für unsere Gedanken. So ist es, dass wenn wir Musik hören, diese uns nicht nur beeinflusst, sondern in vielem auch strukturiert.
Theist: Wenig überrascht, dass Menschen, die angefangen haben, sich darauf zu spezialisieren, sich selbst und andere bei ihrem Seelenwohl zu unterstützen, oft auf Musik setzen. Musiktherapie ist ein neues Wort, welches sich immer weiter verbreitet und Anwendung in verschiedenen Sphären des menschlichen Wirkens findet. Aber wir Christen wissen schon seit den Anfängen des Christentums hiervon und haben in jeder christlichen Tradition Musik mit unseren Gottesdiensten und überhaupt unserem religiösen Leben verbunden.
Philosoph: Ja ihr Lieben, die Musik war für mich schon immer ein Mysterium und ich ahnte schon von ihrer Endlosigkeit, weshalb ich mich auch nicht traute, mit ihrer Erforschung anzufangen, bevor ich schließlich die Frau traf, die meine Gattin wurde.
Musikerin: Ich kann bestätigen, dass er ein größeres Interesse genommen hat und dieses nicht nachlässt. Er lernt jetzt auch selbst am Klavier zu spielen.
Philosoph: Um einen Kontrast zu setzen, finde ich z. B. auch angenehme Musik in Aufzügen eine sehr schöne Sache, es tut nicht nur der Seele gut, sondern schafft auch einen ganz anderen Rahmen für kurzzeitige Begegnungen. Hintergrundmusik, in anderen Worten. Dies gesagt, will ich nun eine starke Aussage treffen und zwar: “ein gutes Leben hat eine musikalische Basis”.
Theist: Jetzt bin ich auf die Ausführung gespannt.
Philosoph: Ihr erinnert euch, als wir über Worte gesprochen haben und wie wichtig es ist, sie auch zu verstehen. Nun, Musik existiert und wirkt nach meinen bisherigen philosophischen Analysen auf einer anderen Ebene auf unsere Seelen und Gedanken. Natürlich können auch Worte noch gesungen werden und sich mit Klang verbinden, aber diese Art von Musik meine ich nicht, wenn ich davon spreche, dass ein gutes Leben eine musikalische Basis hat. Ich spreche über wortlose Musik und zwar über die schönste von allen, die wir bisher als Menschheit produziert haben, und die eine Zeitlang den Namen Kunstmusik getragen hat und heute bekannter ist als klassische Musik. Ja, diese Musik ist Klasse, im Sinne sehr gut, worin ich übrigens auch die Abstammung des Wortes “klassisch” sehe, denn man bezeichnete die ganze Epoche eines phänomenalen menschlichen Wirkens, in der auch die Kunstmusik zu Tage trat, als den Klassizismus. Diese Epoche empfinde ich deshalb als phänomenal, weil sich in ihr alles darum drehte, die alten Griechen und Römer nachzuahmen, zu verstehen, und das, was sie machten, auf der Basis des Verständnisses dafür, noch etwas besser zu machen. Eine solche Weltanschauung ist sehr gesund, denn wir wollen keine Tabula rasa, keinen Neubeginn ohne Geschichte, sondern wir wollen genau die Geschichte verstehen und auf Basis von dem, was am besten in ihr gewesen ist, dann weiter wirken, weiter schöpfen, weiter denken. Wir wollen mit den Besten aus unserer Vergangenheit konkurrieren. Tun wir dies, fühlen wir auch eine wichtige Verbindung zu unseren Vorfahren und bewegen uns auf einer Wellenlänge mit ihnen.
Atheist: Ich dachte schon, dass er wieder ein wenig abschweift, und dann macht er anscheinend einen Bogen mit dem Wort “Wellenlänge”.
Forscher: Mit diesem Wort Wellenlänge kommen wir vielleicht schnell zum Verständnis dessen, was er zum Ausdruck bringen will, wenn er sagt, dass ein gutes Leben eine musikalische Basis hat. Wenn Wellen ein wesentlicher Bestandteil unserer Realität sind, im Sinne der Materie aus der wir alle und unsere gesamte Umgebung bestehen, und wenn Worte in unseren Gedanken eher getrennte und für sich selbst existierende Konstrukte sind und wenn unser Denken ein Verbinden dieser Worte miteinander und eine Vertiefung in dieselben an sich und in die Verbindung dieser miteinander ist, dann kann man auch unser Denken als solches wie Musizieren verstehen und unsere Worte als einzelne Musiknoten, unsere Sätze, wie musikalische Sätze (sie heißen auch so) und noch vieles mehr.
Theist: Du hörst dich ja wie ein Philosoph?
Atheist: Was bringt uns das aber? Gute Musik hat eine schöne Melodie und wird begleitet von einer angenehmen Harmonie. Worte besitzt Musik keine, d.h. wenn wir Musik hören, aktiviert sie unser Denken, wir versuchen mit unseren Gedanken die Musik zu greifen bzw. zu begreifen bzw. in Begriffe zu verwandeln, aber wir können das nicht, wir schaffen das nicht, auch wenn sie unsere Gedanken anregt und vielleicht auch für manche neuen Ideen bzw. für die Auflösung mancher gordischer Knoten in unseren Seelen sorgt.
Philosoph: Exakt, die Musik lässt sich nicht stoppen, sie lässt sich nicht kontrollieren, sie lässt sich nicht in etwas Konkretes und Abgetrenntes, also ein Wort oder einen Begriff, verwandeln. Das Spiel in unseren Gedanken bringt uns aber näher und tiefer zur Essenz dessen, woraus diese Realität besteht, in der wir leben bzw. sie erdet uns, sie bringt uns näher zur Basis auf der diese Realität fundiert. Es erscheint mir mittlerweile, dass es eine Art Feld gibt, welches alles durchdringt in dem wir uns befinden und bewegen. Musik führt uns dazu mit diesem Feld sozusagen zu verschmelzen. So lerne ich langsam, Musik einfach auf mich wirken zu lassen, anstatt sie zu versuchen zu begreifen, ich nehme sie auf, sie ist Nahrung für meine Seele in der Tiefe, sie ist das, was meinem Unbewussten am besten schmeckt und am wohlsten tut, aber sie ist noch mehr als das. Sie schafft auf eine fast magische Art und Weise Frieden und Ruhe dort, wo sie wirkt, die Bedingung ist, dass man lernt sich auf Musik einzulassen.
Musikerin: Ich bin ja nicht unparteiisch, aber schon lange fühle ich, dass wenn wir ein wirklich gutes Leben leben wollen, wir dann auch Musik zum Bestandteil desselben machen möchten.
Theist: Das ist weniger, als dein Gatte sagt, vielleicht bringt er etwas durcheinander, vielleicht hat er dich als Basis für sein Seelenleben gemacht und transponiert das nun auf die Musik? Dies gesagt, gefällt mir die Idee des alles durchdringenden Feldes, wir Christen haben schon lange ein Wort dafür - dies ist der Heilige Geist.
Philosoph: Mein Guter, meine Gattin ist meine engste Weg-Gefährtin. Du weißt sehr gut, dass auch in meiner Seele die Basis des Weges fest in Gott verankert ist, dass Gott meinen Eckstein bildet. Auch wenn wir ein anderes Verhältnis haben.
Theist: Es ist gut, dich ab und zu von Gott sprechen zu hören.
Philosoph: Nichts desto trotz empfinde ich die Musik als wesentlich und empfehle, dass wir nicht nur Konzerte besuchen, ein Instrument spielen lernen, mit Musikern verkehren und die Arbeit musikalischer Organisationen unterstützen, sondern auch immer wieder über Musik sprechen. Unsere Realität erscheint mir wie ein großes Meer, sie bewegt sich und ist verbunden und wenn wir, egal an was und wo, horchen, bewegt sich immer etwas, immer geschieht etwas und manchmal resultieren daraus kleine, manchmal große Wellen, die Bewegung stoppt jedoch nie. Die Musik ist ein Geheimnis und gleichzeitig keins. Sie ist eine Sprache ohne Worte, welche die tiefsten Tiefen unserer Seelen anspricht und uns in diesen tiefen Ebenen, wie nichts anderes, mit unserer Realität und dem Gott unserer Realität in Verbindung bringt.
Forscher: Das sind große Aussagen. Schwer zu fassen, denn in der Physik sieht man in der Musik eher Schall und Schwingungen, aber ja, was wird genau alles zum schwingen gebracht und welchen Effekt das auf unser Innenleben hat ist sehr interessant. Musik kann physiologische Prozesse im Körper beeinflussen, wie Herzschlag, Atmung und Muskelspannung, und dadurch indirekt die Bewegung von Körperteilen oder die allgemeine körperliche Aktivität beeinflussen. In diesem Sinne beeinflusst sie auch in der Tiefe Teilchen aus denen wir bestehen. Was genau sie im Gehirn verursacht wurde neuerdings mit bildgebenden Verfahren in den Neurowissenschaften erforscht. Interessante Bilder kamen dabei heraus, viele Hirnareale sind beim Musizieren beteiligt und es gibt Auffälligkeiten im Hirn von klassischen Musikern. Mithilfe der Schnittbilder des menschlichen Gehirns zeigte sich, dass in Musikerhirnen die Verbindung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, das sogenannte Corpus callosum, deutlich kräftiger ausgebildet ist. Und es ist mehr graue Substanz in Regionen vorhanden, die für die Motorik, die auditive und die räumlich-visuelle Wahrnehmung zuständig sind. Es gibt nicht das eine Musikzentrum im Hirn. Musik aktiviert schließlich die unterschiedlichsten Hirnregionen gleichzeitig. Denn Musik zu machen beansprucht ein kompliziertes Zusammenspiel sehr verschiedener Fähigkeiten: den Hörsinn, den Sehsinn, den Tastsinn, die Feinmotorik. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Verarbeitung von Musik sogar das Broca-Areal beteiligt ist, eines der beiden Sprachzentren. Und das wiederum hat Auswirkungen auf unsere kognitive und emotionale Entwicklung. Es ist eindeutig gezeigt worden, dass Musiker sehr viel mehr graue Substanz in den Gehirnen haben, also Neuronen in denen die Informationsverarbeitung im Gehirn geschieht, Sinneseindrücke verarbeitet, Gedanken gebildet und motorische Befehle generiert werden. Musik tut definitiv etwas wunderbares mit unseren Gehirnen und ist höchst empfehlenswert für die Bildung von Kinderhirnen, dort besonders das Singen der Kinder.
Theist: Faszinierend. Prost! Und da kommt auch schon, wie gerufen, unser Dessert.
Die Freunde stoßen an und wenden sich dem wunderbar angerichteten Dessert zu.