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Die Gefahr der Wiederholung


Warum wiederholt sich immer wieder dasselbe und wie befreien wir uns daraus?

Nietzsche sprach schon von der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Vielleicht ein Trauma in dem er feststeckte?

Wenn wir als Menschheit etwas gelernt haben bisher über diese Realität, dann ist dies, dass wir zu viele Male versucht haben ihr Grenzen aufzuerlegen und sie uns immer wieder gelehrt hat, dass das nur unsere Projektionen waren, unsere Versuche uns durch Kontrolle in dieser, in allen Dingen, unkontrollierbaren Welt etwas sicherer und potenter zu fühlen. Über die Worte von Jesus von Nazareth "dieser Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen" habe ich immer wieder nachgesinnt und mir gedacht, dass eigentlich auch in unserer stetig wachsenden Erkenntnis über unsere Realität eine Art des Vergehens von "Himmel und Erde" geschehen, also den Grenzen, die wir unserer Realität auferlegen - der Himmel oben und die Erde unten. Heute haben wir eine andere Art Himmel und Erde, wir haben den Big Bang als eine zeitliche Grenze in unserem Verständnis der Realität - was war davor und war irgendwas davor? - wir haben die sich verbreitende Materie im Universum, über die manche sagen sie kennt keine Grenzen und andere wiederum sagen, sie existiert in Grenzen - die Frage dann ist, was ist außerhalb dieser Grenzen bzw. wenn es keine gibt, was dann Grenzenlosigkeit oder Unendlichkeit überhaupt bedeuten - und schließlich haben wir unseren Planeten, den wir Erde nennen, unter unseren Füßen, auf ihm stehen wir.

Aus dieser Perspektive der Grenzen in unserem Verständnis sind die Erde und der Himmel bereits vergangen, die man vorher kannte als "oben und unten", aber ja, die Worte von Jesus von Nazareth sind nicht vergangen. Natürlich gibt es manche, die den Schöpfungsgedanken in sich tragen, diese enorme Realität als geschaffen von einem Gott, der auch unseren im Vergleich zur Realität unbeschreiblich kleinen Planeten geschaffen hat und alles auf ihm. In einer Zeit, in der unsere Vorfahren als Grenzen das "oben" und das "unten" kannten, war ein Gott plausibler und naheliegender, in heutiger Zeit ist es schwieriger mit den neuen Grenzen und insbesondere mit unseren Erkenntnissen über die Evolution des Lebens von Gott auszugehen. Und dennoch, ließe sich auch heute von Gott ausgehen, nur eben existieren neue Grenzen bzw. das Verständnis unserer Realität als Schöpfung müsste ein gänzlich anderes werden, wobei auch dieser Akt der Erzeugung von einem Verständnis in sich auch die Gefahr der Etablierung neuer Grenzen verbergen würde. Oft lernen wir Menschen eben so, indem wir Grenzen setzen.

Was ist mit Grenzen der Zeit, also konkret zu unserer Geschichte? Was hindert die Menschheit daran, dass sie nicht wieder Negatives und Destruktives im kulturellen bzw. im nationalen Sinne wiederholt, das bereits in der Geschichte geschah? Was spricht dagegen, dass es nicht sowieso geschehen wird? Können wir überhaupt etwas tun um eine solche Wiederholung der Geschichte zu verhindern? Vor nicht all zu langer Zeit stand die Menschheit in einem Weltkrieg, wir nennen diesen den Zweiten Weltkrieg, in dem Teile der Menschheit das Ziel verfolgt haben, sich über andere zu erheben, sie zu erobern, zu versklaven und viele auch einfach zu töten und auszurotten. Drehen wir die Zeit zurück, erleben wir einige Völker die das schon getan haben in den Teilen der Welt, die sie erobert haben, wie z. B. die Römer, die Mongolen, die Azteken und verschiedene andere. Sie schufen eine Hierarchie um an der Spitze derselben zu stehen, aber warum? Und warum tun Menschen das immer wieder?

Warum taten wir Menschen dies auch in Haushalten, die man patriarchalisch oder auch matriarchalisch nannte, in Stämmen, Dörfern, Städten und Staaten? Warum existierte und existiert in den Menschen ein Bedürfnis nach Ordnung und Überordnung und Unterordnung und dann in gleichem Maße nach Freiheit, nach Befreiung, nach Gestaltung? Es scheint, wir Menschen wollen einerseits Grenzen unserer Realität auferlegen und andererseits scheint es, dass wir uns aus auferlegten Grenzen befreien wollen. Diese antagonistischen menschlichen Bedürfnisse führten und führen uns stets zu einem gleichen Ergebnis und dies ist die Zerstörung, wir zerstören das was wir aufbauen, wir zerstören einander und wir zerstören uns selbst. Warum?

Nun, das sind so die großen Themen, die viele kleine und konkrete Bereiche unserer Leben in dieser Realität betreffen. In der Unzahl von Organisationen und Gruppen, die wir in unserer heutigen Zeit haben und an denen wir uns beteiligen, kämpfen Menschen alltäglich mit diesen und anderen Herausforderungen und Problemen. Manche sehen im Druck und der Gewalt die Lösung für alles, manche in Transparenz und der Verantwortung, manche in einer alle Grenzen brechenden Liebe... Lösungsansätze gibt es viele und eine Erkenntnis ist, es gibt eben nicht den einen Weg oder die eine Lösung für alles und so sollen viele Wege möglich sein. Manchmal will man eine Organisation retten, manchmal ihre Zerstörung voranbringen, manchmal sich aus Entscheidungen raushalten, manchmal sich mit großem Mut einbringen. Sehr oft macht man Fehler und noch öfter kann man gemachte Fehler, wieder gut machen. Was in jeder Situation das objektiv Richtige ist und was für konkrete Handelnde subjektiv richtig ist, ist oft nicht ein und dasselbe. Wir Menschen sind eben Monster und leben insbesondere in unserem eigenen Kopf, in unserer eigenen Welt, die nehmen wir mehr wahr als jede andere.

Eine Verstärkung der Gemeinschaft, enge Kommunikation mit unseren Nächsten tut uns zwar oft sehr gut und lohnt sich, manchmal aber tut sie gar nicht gut und man will und soll sich distanzieren und sich eine Pause gönnen. Das tut man gemeinschaftsfördernd in dem man bestimmte konkrete Themen pausiert und auch in dem man mit manchen Menschen, wenn die uns weh getan haben, die Kommunikation abbricht bis diese Reue zeigen und um Vergebung bitten. Niemand will jemandem in dieser Realität vergeben, der keine Reue gezeigt hat. Reue zu verlangen und zu erwarten - das will ich jedem ans Herz legen.

Es geht daher auch nicht stets nur um die Erweiterung unseres Bewusstseins und die Auflösung von Grenzen für unser Denken und Handeln wie manche Neurowissenschaftler und auch moderne Gurus und religiöse Denker das heute vermitteln wollen, wobei Denken und Erweiterungen unseres Bewusstseins uns und der Welt in vielen Situationen sehr gut tun können. Manchmal geht es aber auch um das Umgekehrte - um die Reduzierung unseres Bewusstseins, damit wir einfacher oder auch gar nicht über bestimmte Dinge denken. Ruhe und Oberflächlichkeit tun eben sehr oft auch gut.

In der Politik insbesondere, denn die Politik ist nur die Erweiterung unseres Lebens auf gemeinsames gesellschaftliches Handeln. Aristoteles kämpfte schon mit der Politik, musste Athen verlassen und schrieb, dass auch wenn wir uns mit Politik nicht beschäftigen, diese sich mit uns beschäftigt, d.h. ein Leben ohne Politik existiert nicht.

Dies gesagt, die Gefahr der Wiederholung ist da. Sobald etwas geschehen ist, entsteht sie auch. Und wir können und wir sollen die Geschichte nicht löschen, im Sinne die Erinnerung löschen in der Hoffnung, so wiederholt sich das Geschehene nicht mehr - denn das wurde versucht, immer wieder, und hat nichts gebracht. Wir wollen umgekehrt die Erinnerung wahren und unsere Mini-Monster, also neue Generationen, unsere Mitmenschen, also Mit-Monster über sie informieren, damit alle verstehen was in uns ist, wie schrecklich wir sein können und was für andere Optionen es gibt. Nur dieser Weg nach vorne, verspricht mehr Frieden, wobei auch er unsicher ist. Das ist es eben, wie Buddha in seiner Geschichte mit dem jungen Mönch erzählte, der vom Tiger gejagt wird bis er in eine Schlucht fällt, in der er es schafft sich an einem kleinen Zweig, der aus dem Felsen ragt, festzuhalten. Der Mönch hängt über der Schlucht, also dem sicheren Tod, während über ihm der Tiger ist, der ihm auch den sicheren Tod bringt und erkennt den Sinn des Lebens und damit auch die Grenze des Lebens in dem Zweig, an dem er sich festhält, in dem was ihm in der Gegenwart Halt gibt, und dort erkennt er eine Beere, und mit aller Kraft hebt er sich hoch und isst von dieser Beere und versteht für sich selbst, dass es die schönste und geschmacksvollste war, die er je gegessen hat. Der Sinn des Lebens ist nach Buddha, so wie ich ihn interpretiere, deshalb nicht loszulassen, auch nicht Grenzen zu ziehen, sondern an der Gegenwart festzuhalten, an dem was uns Halt gibt und am wichtigsten - der Sinn des Lebens besteht nach Buddha dies zu genießen. Ich sehe es ähnlich, und zu meiner Gegenwart gehören eben die vielen Mit-Monster und auch das Schreckliche was diese tun und in der Geschichte bisher getan haben. Ich habe es geschafft auch das zu integrieren, also nicht zu fliehen, mir die Welt nicht schön zu reden und so halte ich fest - seid auf der Hut, denn es existiert immer, in einer jeden Gegenwart, die Gefahr der Wiederholung.